Rechtsprechung im Verkehrsrecht
11. Juni 2025, 11:23 Uhr
Viele Autofahrer setzen bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf mögliche Messfehler. Die Rohmessdaten des Blitzers können dabei der Schlüssel zur Überprüfung sein. Doch was passiert, wenn diese Daten gar nicht gespeichert werden? Ob das noch mit einem fairen Verfahren vereinbar ist, muss jetzt der Bundesgerichtshof klären.
Ausgangspunkt des Verfahrens ist ein Fall aus dem Saarland, bei dem die Geschwindigkeitsmessung mithilfe eines standardisierten Verfahrens erfolgte – die Rohmessdaten speicherte das Messgerät nicht. Der betroffene Autofahrer sieht darin eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren und wehrt sich gegen das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert, das ihn zu einer Geldbuße von 250 Euro verurteilt hat.
Das Oberlandesgericht Saarland (OLG) sah darin einen möglichen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren und legte den Fall dem Bundesgerichtshof (BGH) vor (Beschl. v. 14.04.2025, Az. 1 Ss (OWi) 112/24). Das Gericht muss nun entscheiden, ob ein solcher Bußgeldbescheid auf unsicheren Beinen steht, wenn Betroffenen wichtige Kontrollmöglichkeiten fehlen.
Rohmessdaten sind ursprüngliche Messwerte, die vor einer softwareseitigen Verarbeitung gespeichert werden – oder eben nicht. Sie ermöglichen es, Messfehler im Nachhinein zu prüfen. Fehlen diese Daten, bleibt den Betroffenen nur das Vertrauen auf die Richtigkeit des standardisierten Messverfahrens – ein aus Sicht vieler Juristen unzureichender Zustand für eine effektive Verteidigung.
Derzeit gibt es keine bundesweit einheitliche höchstrichterliche Entscheidung zur Frage, ob Blitzer Rohmessdaten speichern müssen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte bereits ähnliche Fälle vorliegen – entschied jedoch nicht in der Sache, sondern ließ die Beschwerden unbehandelt.
Allerdings betonte es, dass es keinen Anspruch auf die Verwendung bestimmter Messgeräte gebe, die Rohmessdaten speichern. Die OLG-Rechtsprechung hält an der Verwertbarkeit von Messergebnissen auch ohne Rohdaten fest, solange ein standardisiertes Messverfahren genutzt wird. Auch viele Verfassungsgerichte der Bundesländer schließen sich dieser Haltung an.
Verteidiger haben grundsätzlich dieselben Möglichkeiten. Sie erhalten entweder Zugang vor Ort oder können eine Kopie der ausgewerteten Falldatei über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erhalten. Ein Anspruch auf bestimmte Dateiformate besteht nicht.
Der saarländische Verfassungsgerichtshof (VerfGH) geht einen anderen Weg. Bereits 2019 entschied er, dass Messergebnisse nicht verwendet werden dürfen, wenn sie für den Betroffenen nicht überprüfbar sind. Denn ohne Rohmessdaten sei keine effektive Verteidigung möglich.
Diese Argumentation teilt nun auch das saarländische OLG. Da es aber von der sonst einheitlichen OLG-Rechtsprechung abweichen würde, wurde der BGH eingeschaltet.
Würde der Bundesgerichtshof der Argumentation aus dem Saarland folgen, hätte das weitreichende Folgen:
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